Am 8. Mai 1864, wurde die Evangelische Stadtkirche Baden-Baden feierlich eingeweiht.
Aufregende, sehr wechselhafte Jahre gingen diesem Fest voraus. Nachdem 1832 die großherzogliche Genehmigung zur Gründung einer selbständigen evangelisch-protestantischen Pfarrei in Baden-Baden erging und ein erster evangelischer Gottesdienst in der Spitalkirche gefeiert wurde, wurde der Wunsch der evangelischen Christen nach einer eigenen Kirche immer lauter.
Gründungsurkunde der Kirchengemeinde Baden-Baden
Entwurf Friedrich Eisenlohr
Erst 1841 wurde eine Kollekte dafür genehmigt. Im gleichen Jahr stellte die Stadtverwaltung einen Bauplatz unentgeltlich zur Verfügung. Neben Stiftungen und Erbschaften, Spenden von Kurgästen und sogar Sammlungen in deren Heimatgemeinden ist unter den Förderern auch der Spielbankpächter Eduard Bénazet zu nennen. 1853 entschied sich der Kirchengemeinderat zwischen fünf verschiedenen Bauplänen für den des Karlsruher Professors Friedrich Eisenlohr, der bis dahin einige originelle Bahnhöfe gebaut hatte.
Als dieser schon im Februar 1854 starb, war die Baugenehmigung noch nicht erteilt, weil die vorhandenen Mittel für die laufenden Baukosten nicht ausreichend waren. Am 9. September 1855 konnte schließlich der Grundstein gelegt werden, aber in den folgenden Jahren verzögerte nicht nur der Tod des Werkmeisters, sondern vor allem die ungenügende Finanzierung den Fortschritt des Baus. 1859 übernahm Adolph Magnus Hansen die Pfarrstelle und traf eine mühsam gegen Witterungseinflüsse geschützte Bauruine an. Mit einem einfallsreichen, fleißigen, mitreißenden Einsatz gelang ihm die Überwindung der Krise und eine Wiederbelebung des Kirchenbaus.
Gedenkstein Pfarrer Adolf Magnus Hansen
unterer Teil des Auferstehungsfensters
Ein Glück im Unglück kam ihm bzw. der evangelischen Kirche zu Hilfe: Nach dem missglückten Attentat auf König Wilhelm von Preußen am 14. Juli 1861 trafen aus Dankbarkeit von verschiedenen Seiten Spenden für den Kirchenbau ein.
Dazu kam die Solidarität der Kurgäste mit der evangelischen Kirchengemeinde. Ja, man könnte die evangelische Stadtkirche geradezu als ein Geschenk der internationalen Gäste an die evangelische Gemeinde bezeichnen. Gestiftet wurden nicht nur die farbigen Fenster im polygonalen Chor, die Geburt, Kreuzigung und Auferstehung Jesu Christi darstellen; die gesamte Innenausstattung ist fürstlichen oder adligen Spendern zu verdanken.
Chorfenster
Kirche ohne Türme
Dennoch war die Kirche bei ihrer Einweihung noch ein Torso, da für die beiden geplanten Türme kein Geld vorhanden war.
Der Kirchenbauverein wurde in einen Turmbauverein umgewandelt, aber es dauerte noch 12 Jahre, bis am 1. Oktober 1876 die beiden Türme in Anwesenheit des Kaiserpaares, des preußischen Kronprinzenpaares und der großherzoglichen Familie eingeweiht werden konnten. Gebaut wurden sie allerdings nicht nach dem ursprünglichen Entwurf Eisenlohrs, sondern nach Plänen des Baurats Heinrich Lang.
Türme im Bau
fertige Kirche
Die Steinbrüche im Murgtal, aus denen der helle Sandstein gebrochen wurde, waren bei der Fertigstellung der Kirche restlos erschöpft. Die evangelische Gemeinde war inzwischen auf 2000 ständige Mitglieder angewachsen, ein Fünftel der damaligen Einwohnerschaft. Über dem Eingang zur offenen Kirchenvorhalle sind Statuen der vier Evangelisten zu sehen.
Portal mit den 4 Evangelisten
Martin Luther
Philipp Melanchthon
In Glasfenstern des Langhauses sind die vier Reformatoren Luther, Melanchthon, Zwingli und Calvin abgebildet.
Huldrych Zwingli
Johannes Calvin
Orgel
Entstanden war das Hauptwerk der neugotischen Baukunst in Baden-Baden, eine dreischiffige Hallenkirche, die mit ihrer neuen, 1973 eingeweihten Orgel und ihrer eindrucksvollen Akustik zu kirchenmusikalischen Genüssen einlädt,
und nicht zuletzt ein dezent, aber liebevoll geschmückter Kirchenraum, in dem die evangelische Gemeinde seither Sonntag für Sonntag Gottesdienst feiert. Ein Dreierensemble aus hellem Sandstein: Kanzel, Altar und Taufstein weist auf das, was Kirche ausmacht: die Verkündigung des Evangeliums und die Feier der beiden Sakramente Taufe und Abendmahl.